Amnesty International in Hilden
Ein halbes Jahrhundert Kampf für Menschenrechte
Hilden · Die Amnesty-Gruppe „im Süden von Düsseldorf“, 1974 in Hilden gegründet, feiert in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag. Ihre Mitglieder blicken auf Fortschritte, aber auch auf ein paar Rückschläge in ihrem Engagement zurück.
Danach gefragt, welche Betreuungsaktion ihm besonders berührend in Erinnerung geblieben ist, holt Heinz Geißler einen Hefter aus dem Schrank hervor und blättert zu einem Schwarz-Weiß-Foto, das einen jungen Mann mit dunklen Haaren zeigt. „Das ist Xhemajl Fetahay, ein Mann aus dem Kosovo“, sagt der Amnesty-International-Aktivist – und erklärt: „In dem Alter, in dem ich studieren ging, wurde er in Jugoslawien zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er die falschen Schriften zu Hause hatte.“ Das war im Jahr 1985: „Xhemajl war der erste politische Gefangene, den ich zugewiesen bekam“, berichtet Geißler. Damals habe man einen Trick angewandt, um Druck auszuüben: Die Briefe, die die Behörden des damaligen Vielvölkerstaates auf dem Balkan erreichten, trugen zum Teil die Absenderadresse eines Reisebüros. Damit verbunden war ein klares Kalkül: „Wenn schon die Reisebüros wissen, was dort passiert, könnte das die Behörden zum Umdenken zwingen.“ Auch über diplomatische Kanäle, mithilfe des damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Uwe Holtz, versuchte Amnesty Einfluss auf zu nehmen. Und immerhin: 1989 wurde Fetahay vorzeitig freigelassen.
„Man weiß nie, ob wir es sind, die so etwas bewirkt haben“, gibt Geißler zu. Und dennoch seien Erfolgserlebnisse wie diese ein wichtiger Antrieb – und eine Möglichkeit, Skeptikern entgegenzutreten: „Wir hören schließlich oft: Ihr schreibt doch nur Briefe und habt ja doch keinen Erfolg“, sagt Geißler. Der ehemalige Lehrer am Hildener Helmholtz-Gymnasium gehört zu derzeit sechs Aktiven der „Amnesty-Gruppe im Süden von Düsseldorf“. Gegründet worden war sie am 18. Dezember 1974 – als „Amnesty-Gruppe Hilden Haan“ mit Irmgard Wacker als erster Gruppensprecherin. „In den Hochzeiten hatten wir mal über 30 Mitglieder“, erzählt Geißler, der seit 1983 dabei ist. Insbesondere der Friedensnobelpreis für die weltweit agierende Menschenrechtsorganisation im Jahr 1977 habe einen Boom ausgelöst.
Schon ein Jahr vorher wiederum war Geißlers Mitstreiterin Ursula Diepes zu Amnesty gelangt – wenn auch zunächst in einer anderen Stadt. Erst das Berufsleben habe sie später in die Peripherie der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt verschlagen. „Die Arbeit hat sich verändert – und die Muster der Verfolgung auch“, blickt sie zurück. Zum klassischen Briefeschreiben, um politische Gefangene in aller Welt nach Möglichkeit freizubekommen, gesellten sich immer mehr Kampagnen, um, etwa durch Ausstellungen, Vorträge oder Aktionen auf öffentlichen Plätzen für ein Thema zu sensibilisieren. Eines davon sei zum Beispiel auch die nachhaltige Entwicklung, die durch Aspekte wie Zugang zu sauberem Wasser, verantwortungsvolle Produktion und Klimaschutz eng mit Menschenrechten verbunden ist.
Eine gewisse Erosion der Haltung zum Thema Menschenrechte habe hingegen nach den Terroranschlägen des 11. September eingesetzt, berichtet Ursula Diepes. Und auch das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte in Europa sei ein beunruhigendes Signal: „Die Idee, dass bürgerliche Freiheiten verteidigt werden müssen, ist zunehmend bedroht“. Als Antwort darauf sei es wichtig, immer wieder aufzuklären. Und Heinz Geißler ergänzt – auch im Hinblick auf die hohe Kontinuität beim Engagement vieler Helfer: „Menschenrechtsarbeit ist auf Dauer angelegt.“